Die Zeitenwende: Keine Zeit zum Zaudern

Will Deutschland die Zeitenwende, die Bundeskanzler Olaf Scholz vor fast einem Jahr, am 27. Februar 2022 eingeleitet hat, umsetzen, benötigt es „Tatkraft, Einsicht und Strategie“: Die Verteidigungsexpertin Claudia Major und Christian Mölling, Vize-Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, machen Vorschläge für „ein entschlossenes Handeln“. Sie äußern sich in dem Sonderheft zur „Zeitenwende“, das die Zeitschrift „Internationale Politik“ herausgegeben hat.

Die Umsetzung der Zeitenwende gehe nur noch schleppend und ohne systematischen Plan voran, wie die Autoren bemängeln. Für Deutschland komme aber eine „innere Zeitenwende“ dazu. Nun komme es vor allem auf vier Punkte an: Da wäre die militärische Unterstützung, denn der Erfolg der Ukraine im Krieg hänge ja besonders von der Bereitstellung militärischer Mittel durch den Westen ab. Dann rücke der Zustand der Bundeswehr in den Fokus, so habe der Konflikt ja gezeigt, wie katastrophal dieser sei. Der dritte Punkt zeigt die Achillesverse der Sicherheitsdebatte hierzulande auf: Gerade in Deutschland ist der Einsatz von Gewalt und militärischen Mitteln ein kontroverses Thema. Und schließlich, als vierter Punkt, müssen die Erwartungen der Verbündeten im Auge behalten werden. Denn für die NATO und EU-Partner sei die Zeitenwende von höchster Bedeutung.

Der reaktive Kurs der Politik muss überwunden werden

„Zeitenwende kann nicht lediglich heißen ‚weiter so wie vorher, aber mit mehr Geld‘“, so Major und Mölling. „Sie erfordert eine ganz neue Grammatik, damit Deutschland sich in einer konfrontativen Sicherheitsordnung in Europa und weltweit behaupten kann.“ Teil dieser neuen Grammatik sei eben militärische Macht als Gestaltungsfaktor – was Russland ja sehr deutlich nutze. Die Bundesrepublik habe allerdings noch nicht die Rolle angenommen, die Freiheit Europas neben wirtschaftlicher auch über militärische Stärke zu definieren.

„Deutschland fehlt eine kohärente Rüstungspolitik, die Industrie, Bundeswehr und Politik verbindet, und Ausrüstung genauso bereitstellt, wie die Kooperationsfähigkeit mit Partnern unter Beweis stellt“, so die Autoren in der „Internationalen Politik“. Die deutsche Politik dürfe nicht „linear fortgeführt“ werden. Die Bundesrepublik muss in die Lage versetzt werden, Störungen zu bewältigen oder zu verhindern. „Das bedeutet, das reaktive Politikmodell und den reaktiven Politikkurs zu überwinden, das in erster Linie auf externe Schocks reagiert“, so die beiden Experten. Eine Strategie müsse entwickelt werden, die Handlungsfähigkeit gewährleiste, auch unter den Bedingungen eines „disruptiven Wandels“. Eine Nationale Sicherheitsstrategie werde nicht alle Fragen beantworten, aber es könnte eine erste Antwort sein.

Die Rolle der Industrie sollte klar werden

Wie wichtig diese Nationale Sicherheitsstrategie ist, betont Stefan Stenzel, Geschäftsführer von VINCORION, vor dem Hintergrund des Jahrestages der Zeitenwende: „Die Bundesrepublik muss eine stärkere Führungsrolle in Europa übernehmen und die Ukraine unterstützen. Auch die Lücken in der Bundeswehr müssen schneller geschlossen werden“, sagt Stefan Stenzel. Der Bund muss in der Lage sein, auch im Sicherheitsbereich aktiv und proaktiv zu handeln.

„Um mit den Veränderungen um uns herum umgehen zu können, müssen wir die Möglichkeiten der modernen Sicherheitspolitik erweitern.“ Die Verteidigungspolitik ist eines der wichtigsten Politikfelder in Europa. Stefan Stenzel betont: „Wir sollten uns darüber klar werden, was die Sicherheitspolitik Deutschlands leisten soll.“ Für die Rüstungspolitik und die Rolle der Industrie in Deutschland muss es eine klare Rolle geben, da die künftige Sicherheitspolitik Deutschlands darauf angewiesen ist.

 

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Über VINCORION

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